Winnender Zeitung vom 3. April 2006:

Politisches Stück mit Prise Mundartschwank
Hubys „Grüßgott, Herr Minischter“ mit aktuellen Bezügen / Rems-Murr-Bühne hatte am Wochenende 800 Zuschauer

Von unserer Mitarbeiterin Heidrun Gehrke

Leutenbach.
Es heißt nicht umsonst „Schuster, bleib’ bei deinen Leisten“. Schreiner und Zaunfabrikant Weidle bleibt bei seinen Zäunen und schlägt das verlockende Angebot aus, Karriere als Staatssekretär des Kultusministers zu machen. In einer flammenden Rede vor dem Landtag erklärte er warum – zu sehen und hören in der Jubiläumsaufführung der Rems-Murr-Bühne.



















Die Rems-Murr-Bühne steht seit 25 Jahren für anspruchsvolle schwäbische Mundart-Stücke. Mit Bauerntheater hat auch die von Felix Huby in schwäbischer Mundart verfasste Komödie „Grüßgott, Herr Minischter“, die sich am Wochenende 800 Zuschauer anschauten, nichts am Hut. Die Darsteller legen seit jeher Wert auf die Zusammenarbeit mit professionellen Theaterleuten (wir berichteten von einer Probe). Regisseurin Monika Hirschle von der Marquardt-Komödie hat mit dem Mundartstück um den Landtagsabgeordneten Weidle, die nicht richtig lesen und schreiben kann, aber dennoch Kultusminister wird, erneut ein zeitbezogenes Stück ausgewählt und bringt es überspitzt und urkomisch mit den Laienschauspielern auf die Bühne.
Die Darsteller treten schauspielerisch gewieft auf und erzählen glaubwürdig und mit viel Originalität in den Zwischentönen. Skeptiker Weidle, von Karl Hilt herrlich „bruddelig“ in Szene gesetzt, kann nichts überzeugen. Nicht der aufgeblasene Wahlkampfmanager Sven Decker, der ihm die Politikerkarriere wie Sauerbier antragen will – nicht ohne ans persönliche Weiterkommen zu denken. Gert Hofmann verkörpert den Ehrgeizling als Spaßbremse ohne Schmiss, der auch beim vergeblichen Werben um Sabine hochdeutsche Sätze konstruiert, als hätte er einen Besen verschluckt. Weidles schwäbischer Zungenschlag lässt sich mit seiner kosmetischen Oberflächenbehandlung nicht glatt bügeln. „Wegen warum soll das furchtbar sein?“, fragt Weidle süffisant – und hat die Lacher auf seiner Seite. Unter baden-württembergischen Wappen kritisiert Weidle die bildungspolitischen Ansätze, das PISA-Problem durch Ansetzen der Sparaxt zu lösen. Der neue Kultusminister müsse die Industrie vielmehr dazu bringen, „dass sie sich dafür einsetzt, dass PISA bald wieder nur noch ein schiefer Turm in Italien ist.“ Als Staatssekretär passe er ins Kultusministerium „wie der Rossbolla uff’d Autobahn“. Einen „Allmachtsgrattel“ hat Weidle auf „Leut’, die em Landwirtschaftsministerium sitzed, obwohl’se a Kuh ned vom Ochs’ unterscheida kenned“.
Das Unbehagen dem Wichtigtuer Decker gegenüber teilt Weidle mit der altgedienten Haushälterin Emma alias Martha Hieber. Sie taucht immer im passenden Moment auf, sieht alles und weiß Bescheid. Mit ihren bärbeißigen Kommentaren zwischen gesundem Menschenverstand und schwäbischem Understatement sorgt sie für Pointen am laufenden Band. „Überall sitzen schließlich Leute, die nicht alles wissen“, solle er, Weidle, sich mal durch den Kopf gehen lassen, empfiehlt ihm Parteifreund Eduard Allgeier alias Roland Hilt. „Einen Scheiß wird er tun“, demonstriert Weidle mittels ablehnender Körperhaltung. Ihn plagen ganz andere Sorgen. Emma kündigt und Tochter Sabine (Jacqueline Storz), bisher Weidles rechte Hand, ist Feuer und Flamme für Allgaiers Sohn Christian, jung und dynamisch gespielt von Stefan Orner. Die Seitenstränge der Handlung entwickeln eine eigene Dynamik und streuen eine Prise Mundartschwank ins politische, ernsthafte Stück. Im Finale sind alle Wogen geglättet und die politischen Ambitionen Weidles sind der bodenständigen Erkenntnis gewichen: „Fürs Kultusministerium fehlt es mir an Bildung, auch an der Einbildung, dass i’s könnt’.“